25. Januar 2011

Dorfdisse

Freitag, 12:35 Uhr: Es ist ruhig in Kok Payom. Alle Männer sind brav, wie es der Koran vorschreibt, in der Moschee, um dort das Freitagsgebet, das salāt al-dschumʿa zu verrichten.

21:02 Uhr: Ich befinde mich auf dem Weg nach La-Ngu, um dort die Dorfdisko zu besuchen. La-Ngu ist eine winzige Kleinstadt, vergleichbar von dessen Bedeutung und Größe mit Großwudicke und Hämerten, Orte an denen man hält, wenn man sich für eine Reise nach Berlin nur ein Schönes-Wochenend-Ticket leisten kann. Und so wie Großwudicke, hat auch La-Ngu, im mehrheitlich muslimischen Thailand diese eine Dorfdisse.

Muslimisch heißt eigentlich: Man ist brav, solange Frau Kopftuch trägt und anstößig wenn Frau, Mann oder Ladyboy an so öffentlichen Orten, wie verlassene Strände bei Nacht, Händchen hält.

21:16 Uhr: Ich gehe durch die Tür und befinde mich vor einer anderen Tür. „Der Schuppen hier hat sogar einen Vorraum – coool“, denk ich mir. In diesem Vorraum ist auch ein kleines buddhistisches Gesteck aufgebaut, welches nun eindeutig klar macht, dass man hier auch Alkohol kaufen kann.

21:17 Uhr: Ich bin drinnen. „City Pub“ heißt der…hmmm… ja, worum handelt es hier eigentlich? Um einen Club? Oder ist der in der Zeit etwas zurück und damit um eine Disko? Weder noch? Ist Tanzhaus korrekter? Oder ist es tatsächlich eine Kneipe. Sehr schwierig zu sagen! Sagen wir: „Lokalität“: „City Pub“ heißt die Lokalität.

Natürlich wird hier Musik gespielt. Die Übergänge gestaltet der DJ immer mit dieser spannungsaufbauenden, dramatischen Pause zwischen den Liedern auf der CD. Sie heißt wahrscheinlich „Ballermannhits 1997“ und schaffte es wahrscheinlich selbst 97 nicht über die 2 Mark 99 Grabbelkiste bei Karstadt kurz vor der Kasse hinaus.

21:21 Uhr: Ich bestelle mir für 100 Baht, umgerechnet 2,50 Euro ein Chang. Statt diesem Bier könnte ich mir auch schon ein nettes T-Shirt kaufen. Dafür wird einem das Eis aber kostenlos gestellt und sogar ganz exklusiv am Tisch das Glas erst mit den Eiswürfeln und dann mit dem Bier gefüllt... Kommentar erforderlich?

21:47 Uhr: „Moonlightshadow“ wird gespielt… „I’m your Moonlightshadow…”

22:02 Uhr: Die Musikanlage wird ausgemacht und die Liveband betritt die Bühne.

22:06 Uhr: Es wird gut. Die Jungs auf der Bühne haben richtig Spaß! Ganz anders als die Livebands in den Touri-Gegenden, die gelangweilt und extrem routiniert tagtäglich ihr Program runter spielen. Für 20 Baht kann man sich sogar ein Lied wünschen.

22:32 Uhr: Jetzt ist schon der fünfte Bill Kaulitz auf der Tanzfläche. Unfassbar. Wie lange der wohl vorm Spiegel stand? Wahrscheinlich noch länger als der Ladyboy da hinter, die nur an ihrer Größe erkennbar ist.

23:45 Uhr: Jetzt ist der Höhepunkt der Besucherzahlen erreicht. So 50 Leute sind hier. Es ist also noch ordentlich Platz zum bewegen. Der wird auch ausgenutzt. Die wehleidigen Blicke der Sänger auf der Bühne lassen erahnen, worum es in den Popliedern geht. Die Kiddis hier, die noch im abgelegenen La-Ngu festhängen, bewegen sich aber eher wie die ausdauerndsten Headbanger in Wacken.

00:14 Uhr: „Dies ist wohl ein beliebtes Stück“, schließe ich frei nach Sherlock Holmes. Anders sind die Schreie der Mädels, wie auf einem Tokio Hotel Konzert, nicht zu erklären.

Ja ich weiß. Tokio Hotel ist überholt. Justin Bieber ist in. Aber die sehen nun mal alle aus wie Bill und nicht wie Justin.

1:21 Uhr: Es muss daran liegen, dass die Thailänder alle so dünn und klein sind und deshalb weniger Blut haben! Anders ist es nicht zu erklären, dass die nach zwei Bier schon so betrunken sind. Nein, es geht hier eigentlich verglichen mit deutschen „Lokalitäten“ ziemlich harmlos zu. An den Bärtchen (-chen, denn Testasteron ist hier nicht so verbreitet) erkennt man die Moslems. Deshalb macht es auch nichts, dass es keine getrennten Toiletten für Frau und Mann gibt.

02:37 Uhr: Das letzte Stück geht zu Ende. Die Band wird mit großem Beifall verabschiedet.

02:39 Uhr: Ich befinde mich auf den Weg zu dem Haus wo wir heute schon zwischendrin mal waren. Dem Haus von Abdun.

Und wie wars? Anders. Interessant. Nicht unbedingt besser oder schlechter. Man soll ja nicht werten! Wobei ich das Gefühl hatte, dass die meisten hier deutlich mehr Spaß hatten, als so manche Deutsche, die in Clubs entweder irgendwas am „Publikum“ oder der Musik auszusetzten haben oder schlechtweg zu vollgedrönt sind um überhaupt noch irgendwas wahrzunehmen. Einfach mal Spaß haben Leudde! Ein wenig Gesellschaftkritik darf ja wohl auch mal sein…

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen