13. August 2011

Kok Payom

Oder:
In der Mitte des Lebens

In Kok Payoms Mitte steht ein Baum. Dieser Baum steht nämlich in der Mitte eines großen, länglichen, rechteckigen Reisfeldes, um welches wiederum herum die vier Straßen des Dorfes liegen, die sich aber nicht, anders als der Europäer erwartet, dem Mittelpunkt des Dorfes hin ausrichten, sondern genau den Laufe der vier Seiten des Reisfeldes folgen, auf solche Weise, dass zwei lange Straßen, an dessen Enden durch zwei kurze Straßen verbunden sind und somit ein Straßennetz bilden, welches, genau wie das Reisfeld, der Form eines länglichen Rechtecks gleicht.
Dem Europäer erscheint diese Form oftmals seltsam, denn gewöhnlich erwartet dieser in einem Dorf eine Kreuzung, mit Straßen, die alle zu einem Platz hinführen, vornehmlich zu dem einer Kirche, wobei dieser Platz in aller Regel nicht nur den kartographischen Mittelpunkt de Dorfes darstellt, sondern ebenfalls die Rolle des Zentrums fürs Dorfleben einnimmt.
In Kok Payom zentriert sich dieses Dorfleben aber gerade nicht um dessen Mittelpunkt, eben jenem Baum herum, und auch nicht, wie womöglich vermutet, um der Moschee oder der Schule herum, welche an zwei verschiedenen der vier Ecken des Straßennetz liegen, sondern es befindet sich in einer wiederum weiteren, dritten Ecke. In genau dieser Ecke steht Kok Payoms Zentrum – BangMots und GaBans Laden.

In genau diesem Laden sitzt, Tag ein Tag aus, DoSao. DoSao bewegt sich nur wenig mehr von ihrem Platz als jener Baum, denn sie ist bereits sehr alt und schwach und geplagt mit einer Krankheit, die ihren ganzen Körper zittern lässt. Nur manchmal, wenn sie sich beispielsweise noch verantwortlich fühlt, irgendwelche herumirrenden Hühner vertreiben zu müssen, erhebt sich diese 90-Jahre alte Dame, macht einen oder zwei wackelige Schritte nach vorne und ruft leise, aber dennoch kräftig “weg! weg!”.

Gewöhnlich sitzt sie dort aber nur und sieht wie ein Kind zu, wie das Leben um ihr herum voranschreitet, welches viel zu schnell für sie geworden ist.
Sie sitzt dort bereits früh morgens, wenn die ersten Fischermänner von ihrem nächtlichen Fischerturn zurück kommen und neben ihr Platz nehmen, bereits gemütlich einen Kaffee schlürfen und dabei hungrig warten, bis GaBan und BangMot von ihrem täglichen, frühmorgentlichen Großeinkauf wieder kommen, um sich dann endlich über das frisch gekaufte Frühstück, fritiertes Hähnchen mit Klebereis, herzumachen.
Mittags, wenn die Sonne brennt, schläft sie dort, und wenn nicht, sieht sie, wie das Dorf schläft, kein Wind weht, jede Katze ruht und keiner in den Laden kommt, da jeder zu schwach ist und sich in eine Hängematte oder auf einen kalten Betonboden gelegt hat, um sich von von letzter Nacht, der harten Arbeit auf der Gummiplantage, zu erholen.
Wenn dann am Nachmittag die Kinder aus der Schule kommen und ihre Instant-Noodles über den ganzen Laden verstreuen, lässt sie es sich noch nicht nehmen, diese dafür anzumeckern, doch die Kinder ignorieren sie normaler weise einfach und düsen sorgenlos weiter, irgendwo ins Dorf hin, wo sie überall willkommen sind, denn die Kinder haben verständlicher Weise, nach ihrem neunstündigen Schultag alles andere im Kopf als auf diese bereits leicht verwirrte Großmutter zu hören, sodass diese verdutzt weiter auf ihrem Platz weilt und dem Leben zuschaut.
Und so sieht sie am Abend, kurz nachdem der Muezin gerufen hat, wie die Männer, in Sarrong und mit Gebetskappe, auf ihren Motorrollern am Laden vorbeifahren und sie sieht, wie sich kurz darauf der Laden füllt, mit braven Hausfrauen in alten Klamotten, die hier fürs Abendessen einkaufen, jedoch nicht anfangen zu essen, bevor der Ehemann zu Hause ist, wovon manch einer, jüngere in Arbeitskleidung, erst jetzt aus der Stadt wiederkommen, wo sie hart Geld verdienten und hier nun kurz im Laden halten, um sich mit neuem Tabak einzudecken und dabei auf Jugendliche treffen, die, wenn gekleidet in enger Jeans statt in Sarrong, dort hinwollen, wo die Männer gerade herkommen, sich jedoch vor ihrem abendlichen Ausflug hier noch schnell eine günstige Nudelsuppe reinschlagen möchten und dafür bereits am Tisch Platz genommen haben, direkt neben DoSao.
Kurz darauf haben dann alle gegessen, auch DoSao, und das ganze Dorf sitzt nun frisch geduscht in irgendeinem Haus und guckt zusammen mit Gästen oder dem Gastgeber die Daily-Soaps im TV und schlummern dabei bereits vor sich hin, erschöpft von letzter Nacht und vorbereitend fürs nächtliche Aufstehen. DoSao selbst schläft schon, neben ihrem Enkel Ali unterm gemeinsamen Moskito-Netz, denn bereits früh morgen wird sie wieder auf ihrem Platz sitzen.

Wie dieser Morgen wird, weiß keiner. Vielleicht bringen GaBan und BangMot ein neues Produkt vom Markt mit, so wie sie einst das erste Mal eine Coca-Cola ins Dorf brachten. Oder es gibt eine neue Daily-Soap im TV nach der alle ihren Tagesablauf neu richten, so wie eins das Fernsehgerät die Sonne als Uhr ablöste.
Ach hat sich Kok Payom gewandelt, in all den Jahren seit DoSao als junge Frau ins Dorf kam und damals hier nur vereinzelt Häuser im dichten Payomwald hervorschauten, dessen Bäume Stück für Stück gefallt wurden, um an dessen Orten Häuser zu errichten, die man später mit den ersten Sandstrassen verband, welche dann noch später durch Teerstraßen ersetzt wurden, auf denen heute ganz Kok Payom mit ihren Motorrollern und Autos durchs Dorf fahren - Und jedes Kind mit seinem eigenen Fahrrad, und die, deren Eltern es sich leisten können, haben ein Rad mit Ben10-Aufschrift, alle anderen schmücken ihre Fahrräder eben mit Ben10-Stickern oder Stickern aller möglicher anderer Merchandise-Stars von Cartoon Network, tragen Ben10-Shirts und erledigen ihre Hausaufgaben mit Ben10-Stiften in Ben10-Heften.
Längst gibt es viele die aus dem Dorf abwandern. Einige verdienen ihr Geld in der Umgebung und kommen jeden Abend im dicken Auto zurück, andere wohnen bereits in Bangkok, studieren dort und kommen nur noch in den Ferien zurück, wo sie dann den ganzen Tag vorm Laptop Aufgaben erledigen.

DoSao wird vieles davon nicht mehr begreifen, sondern einfach ihr Leben, das Leben von Kok Payom weiterleben, indem sie sich jeden morgen auf ihren Platz setzt und von dort aus dem Leben zuschaut, ihre zwölf Kinder begrüßt, wenn diese von ihrer Arbeit wieder kommen, zusieht, wie ihre unzähligen Enkel und Urenkel zur Schule rasen und verfolgt, wie all ihre Schwiegertöchter, Nichten und Neffen, sowie all ihre anderen Verwandten zweiten, dritten und vierten Grades in den Laden ihres jüngsten Sohnes kommen.

Sie wird dort weiter sitzen, im Wissen, dass das Leben von Kok Payom weiter geht, im Wissen, dass, so wie sie einst Kinder gebar, noch immer Kinder geboren werden, für die immer noch Reis gekocht wird, so wie sie damals Reis kochte und für die immer noch Fische gefangen werden, so wie ihr Mann damals Fische fing, in der Hoffnung, dass, so wie DoSaos Kinder neue Kinder bekamen, auch die Kinder von heute später einmal neue Kinder bekommen, damit die Eltern von heute selbst irgendwann, so wie DoSao heute, auf einem Platz sitzen und dort dort aus zuschauen, wie das Leben von Kok Payom und das der Kinder und Kindeskinder weiter seinen Gang geht.

Und wenn es stimmt, dass der wahre Sinn des Lebens darin liegt, Kinder groß zu ziehen, und wenn es stimmt, dass das wahre Glück darin besteht seine Kinder und Enkel zu sehen, dann, ja dann ist Kok Payom der richtige Ort zum glücklich werden, und dann ist DoSao die glücklichste Frau in diesem Ort.


25. Juni 2011

Thais sind wie Amis nur mehr

Die folgende These mag etwas unglaubwürdig klingen, ich stelle sie trotzdem auf:

“Thais sind wie Amerikaner, nur noch mehr.”

Glaubt ihr nicht? Dann hört mal gut zu:

Beispiel Gastfreundschaft: So ein wenig gastfreundlich sind wir Europäer ja schon, aber die Amerikaner, da werden wohl wenige widersprechen, deutlich mehr. Die Thais sind genauso gastfreundlich, nur sogar noch mehr. Dies ist vielleicht schon bekannt…

Vielleicht hängt diese Gastfreundschaft mit dem Nationalstolz zusammen. Denn während Europäer nur ein kleines bisschen patriotisch sind, sind die Amis doch schon so ziemlich patriotisch. Dies ist aber immer noch nichts im Vergleich zu Thailand, wo Nationalhymnen morgens in der Schule, abends in allen TV- und Radiostationen und sogar im Kino vor jedem Film gespielt wird.

Aber vielleicht hängt diese Gastfreundschaft auch mit der Oberflächlichkeit zusammen. Klar, in Europa gibt es auch viel Oberflächlichkeit. Aber in Amerika ist man mit dem Smalltalk und dann gleich wieder vergessen wie die Person heißt noch schneller, aber immer noch nicht so schnell wie Thais.

Unter Umständen versuchen Thais, wie die Amerikaner aber auch nur mit ihrer Gastfreundschaft zu überspielen, dass die so gar nicht gut in Fremdsprachen sind. Ausserdem ist ja allgemein bekannt, dass Amerikaner ein schlechtes Englisch sprechen. Ich kann aber vergewissern, dass das Englisch der Thais noch schlechter ist als das der Amis.¹

Die Gastfreundschaft ist aber auch ein wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, dass im Gegensatz zu uns vergleichsweise wenig rassistischen Europäern, die Amerikaner doch nocht viel lieber nach “Rassen” trennen. Die Thais dagegen geben ihren noch viel krasseren Rassismus sogar noch offen zu, welcher zu Schwarzen auch definitive alles andere als “positive” ist.

Gleiches gilt fürs Umweltbewusstsein. Amis wissen dann nämlich schon, spätestens seit dem Simpsons-Film, dass Müll im Fluss suboptimal ist und im Garten nicht so schön. Auch habe ich in den USA keine Privatmüllverbrennungen im Garten gesehen. Hier in Thailand kann man Müll noch weniger trennen und auch die Autos sind mindestens genauso groß. Und sollte Wallmart eine Filiale hier eröffnen, sollten sie ein Plastiktütenkontigent von zwei US-Filialen einplanen.

Der Rassismus und die Umweltverschmutzung könnte aber auch mit einer politischen und geographischen Unaufgeklärtheit zusammen hängen. Während man in den USA durchaus mal mit einem Hitlergruß begrüßt wird, zieren hier das Nazikreuz T-Shirts und Deutschlandreiseführer, ohne dass irgendjemand weiss, wofür dass denn eigentlich steht. Dies ist aber auch wenig verwunderlich, denn die Thais können ihr Land wirklich nicht auf der Landkarte finden. Diese Unaufgeklärtheit betrifft auch schon das Wissen zu Nachbarländern.

Klar, dafür kann der Thai ja auch nichts. Wir in Europa haben ja auch richtige, naja, zumindest nicht ganz so schlechte Nachrichten. Aufgeklärte, so mit Doktortitel und so können sich in den USA ja vielleicht auch bei CNN ihre Informatioinen einholen. Aber was in Thailand in den News läuft ist noch unterirdischer als die RTL-II-News, gleich nach der Wiederholung der Sendung “Mitten im Leben”, welche immer noch anspruchsvoller ist, als das gesamte Abendprogramm hier mieinander multipliziert.

Deshalb ist es sehr beeindruckend, dass auch noch alle, zu jeder Zeit Fernsehn gucken. Ja! Noch mehr als Amerikaner! In den USA ist wenigtens zu Weihnachten der Fernseher aus. Hier läuf der aber selbst während der Feierlichkeiten zum Brechen des Ramadans. Und warum die auch noch alle, selbst die, die Satteliten-TV haben, immer, alle, genau das gleiche gucken, weiß sicherlich keiner!

Nun kann man die Frage mit dem Huhn und dem Ei stellen. Ich halte es aber durchaus für möglich, dass ein schlechtes TV-Programm zu einem ungesunden Essverhalten führt. Also in Europa ernähren wir uns ja schon alles andere als gesund. Amerikaner konsumieren dennoch nochmal deutlich mehr Fett. Und ob ihrs glaubt oder nicht: Thais packen noch mehr Fett ins Esssen. Und nochmal mehr Zucker. Gute Zähne haben Thais auch nicht. Wie sie es aber schaffen so dünn zu bleiben ist ihr wohl größtes Geheimnis. Thais sind so dünn, dass ich schon eine Boys-Jeans in Größe 24 (…) gesehen habe.

Viel zu finden ist hier aber auch gar nicht schwer. So beweisen sich Thais als noch kommerzieller (jap!) als die schon uns Kommerziellen, kommerziell scheinenden Amis.

Seht ihr? Thais sind genau wie Amis, eben nur noch mehr! Überzeugt?

¹Die Meinung, Amerikaner sprächen ein “schlechtes Englisch”, entspricht nicht der tatsächliche Meinung des Autos.

27. März 2011

Ökotourismus auf Thai

Kok Payom möchte Ökotourismus anbieten. Dafür trifft sich die ehrgeizige Dorfelite mit anderen Dorfeliten, um auf irgendwelchen Meeting das Thema irgendwie zu besprechen. Wir Freiwillige werden manchmal mitgeschleppt.

Neben den Meetings, bei denen ich nichts verstehe, schaut man sich auch die Dörfer und dessen Programm an.

Ökotourismus ist quasi nachhaltiger Tourismus. Im Gegensatz zum "schlimmen Tourismus", wie beispielsweise auf Phi Phi Island die wirtschaftlich vielleicht den Hunden berühmter Blondinen nützt, die Okölogie zerstört wie ein Atomkraftwerk und die Kultur einfach auslöschen, indem Thais von den privaten Strandstücken und Inseln gleich einfach mal ganz verdammt werden und diese nicht betreten dürfen.

Das Gegenstück dazu soll der Ökötourismus sein.

Dass die Thais hier das mit dem “Kultur respektieren” etwas anders verstehen als Europäer, zeigt folgender Ausflug. Es wurde ein bedrohte Waldvölkchen besucht.

<Sarkasmus>

Aufopfernd schleppt die Freiwillige die lebenswichtige Nahrung.


Man beachte das Nestle-Logo auf der Wasserflasche.


Ein wenig Model spielen ist nach unserer Großzügigkeit doch nun wirklich nicht zu viel verlangt.


Ein wenig Geld für 7-11 oder Tesco


Gesund kann so lecker sein.


Die Schale landet halt auf dem Boden.


Und löst sich dann auf dem Kompost langsam auf.


Und wie wärs mit einem Schlüsselanhänger der "Forest-People"?

</Sarkasmus>


Ich fühlte mich bei der Besichtigung unwohl! Denn was die Show gebracht haben soll, weiß sicherlich keiner. Das Menschen nicht, wie Tiere im Zoo ausgestellt werden sollten (die Tiere natürlich auch nicht) weiß hier hoffentlich jeder Leser und jede Leserin! Immerhin wird diese Problematik auf den Meetings diskutiert.

28. Februar 2011

Die Goldene Regel der Thai-Küche

Bei der Thai-Küche gibt es eine ganz wichtige Regel, die du immer beachten solltest: Immer nur sehr wenig nehmen! Dies hat mehrere Gründe:

1. Es ist höflich. Gegessen wird üblicherweise im Kreis. Wie alle, sitzt du dabei auf dem Boden und hast deinen Reisteller vor dir liegen. In der Mitte dieses Kreises befinden sich die verschiedensten „gap-kaos“ (Mit Reis‘= Reisbeilagen). Natürlicherweise füllst du dir nun größere Mengen mehrerer Beilagen auf einem Mal auf deinen Teller. Mit dem Wissen der Regel, besser nur ganz wenig zu nehmen, tust du dies nun aber höflicherweise nicht. Dafür nimmst du dir eben andauernd nach.

2. Dazu wirst du aber eh genötigt werden. Es wird dir nämlich nicht gelingen nicht alles auszuprobieren, nachzunehmen und nochmals zu essen. Womöglich wirst du hier, wie die meisten Freiwilligen, sogar an Gewicht zu nehmen. Deshalb kann ich dir nur raten, beim ersten Mal wenig zu nehmen, denn der Nachschlag kommt bestimmt.

3. Dies ist aber weniger ein Problem. Denn das Essen wird dir super schmecken. Und weil du bestimmt möglichst viel ausprobieren willst, solltest du, wie du bereits richtig verstanden hast, immer möglichst wenig nehmen. Dies gilt vor allem für Märkte und andere Veranstaltungen, wo es immer sehr sehr viel zu probieren gibt. Also rat ich dir immer die kleinst möglichste Einheit zu kaufen, damit du möglichst viel auskosten kannst.

4. Und ja. Du hast es erraten. Es gibt einen weiteren, ganz wichtigen Grund nur wenig zu nehmen: Dein Essen könnte scharf sein. Ach nein, falsch! Dein Essen könnte ein echtes Foltergerät sein. Deshalb nimm lieber wenig! Vor allem weil du den Schärfegrad deines Essens nicht unbedingt erkennen wirst. Eine feuerrote Soße kann total süß sein, dagegen ein scheinbar süßer Papaya-Salad (som-tam), wo du beim ersten Betrachten nur die Papaya, Limetten und Erdnüsse wahrnehmen wirst, ehe du nach dem ersten Happen feststellt, dass der Thai auch in einen Salat Chili-Schoten, dann eben roh, rein mischt.

Dennoch ist das Auge meist ein immer noch besserer Indikator als die Aussagen von Thais. Wenn du eine currygelbe Soße mit verdächtig vielen roten Stückchen sieht, könnte deine Konversation mit dem Thai wie folgt ablaufen: Du fragst „päd mai?“ (scharf?), worauf der Thai mit „mai päd“ (nicht scharf) antwortet. Nun wirst du etwas skeptisch gucken, sodass der Thai seine Aussage auf „päd niet noy“ (ein wenig scharf) relativieren wird. Nach wie vor skeptisch probierst du - aber natürlich, wie sollte es auch anders richtig sein, nur ein wenig. Dein erster Gedanke wird nun, wenn du ein wenig Schärfe-trainiert bist sowas wie „hmmm… eher päd“ (scharf) sein. Jedoch nach so fünf Sekunden eher „päd mahk-mahk“ (sehr scharf). Nun wiederum fragt dich der Thai mit einem Grinsen: „päd mai?“ (scharf?), worauf du, cool wie du bist, natürlich lediglich mit „päd“ (scharf) antwortest. Als Beweis deiner Coolheit nimmst du einen zweiten Happen. Jetzt hoffe ich für dich, dass der Thai sich möglichst schnell wieder anderem zuwendet. Denn nun zählt jede Sekunde bis dir der unauffällige Griff zum Wasserglas gelingt. Je nach Schärfe des Essens und deiner Härte hast du jetzt vielleicht noch 45 Sekunden, aber vielleicht auch nur 20 Sekunden, bis dir deine Coolheit egal ist und du zum Gespött aller anwesenden Thais, für die das Essen so scharf ist wie für dich ein Nutellabrötchen, offen zum Wasserglas greifst oder, ich hoffe es bleibt dir ersparst, sogar nach einem fragen musst.

Lass lieber die Finger von diesen Essen! Denn der Ruhm ist der Durchfall meist nicht wert, den man von zu scharfem Essen gerne mal bekommt. Und erst recht ist der Ruhm nicht der Krankenhausgang wert, den angeblich schon zwei Freiwillige hier gehen mussten…

Viel gefährlicher ist aber eh das nicht ganz so scharfe Essen, wo du meinen wirst „ach… das kann ich schon ab“. Denn leider ist das Essen zu lecker. Man isst und isst. Erst kommt der Griff zum Wasserglas- du isst weiter. Dann der Griff zum Taschentuch- doch du isst immer noch weiter, denn es schmeckt zu gut. Achja. Und wenn dann dein Auge anfängt zu tränen ist es eh zu spät. Alles brennt. Das kalte Wasser im Mund kühlt deinen Mund nur für einen Bruchteil einer Sekunden, bis es sich so anfühlt als würde das Wasser immer schärfer und schärfer werden. Man erleidet dann das, was ich „päd-attack“ nenne. Für die nächsten 10 bis 15 Minuten wirst du viel Wasser trinken, Cola, wenn vorhanden und Süßes zu dir nehmen. Nur leider vergeblich… Es brennt und deine Nase läuft und läuft… unvermeidbar.

Aber man gewöhnt sich dran. Erstens an die laufende Nase und zweitens an die Schärfe. Bei mir ist mittlerweile nur noch der Chili-Dip (pürierte Chilis mit Limettensaft, damit es besser brennt) gefährlich scharf. Auch das Curry mit den roten Stückchen ist jetzt in der Kategorie „ach… das kann ich schon ab“.

Deshalb wird das Erste, was ich in Deutschland tun werde, die angeblich schärfsten Chips zu kaufen und nach dessen Schärfe zu kontrollieren. Tut mir ja echt Leid, aber ich werde euch wohl alle Döner-mit-alles-und-viel-scharf unter den Tisch essen. Dafür habt ja ihr vielleicht Mitleid mit mir, von nun an immer einen Pfefferstreuer rumschleppen zu müssen.

Dafür ist aber wiederum vieles hier auch mindestens so süß wie scharf. Denn zu süß gibt es hier genauso wenig wie zu scharf. Deshalb schmeckt die Fanta in Deutschland im Vergleich zur thailändischen echt bitter und fruchtig.

Und ach ja. Solltest du Reis nicht mögen oder gar eine Reisallergie haben wird es hier mit dem Essen echt schwierig. Denn Reis gibt es nicht nur zum Morgen, Mittag und Abend sondern findest du auch als Snack zwischendrin (dann mit viel Zucker), in Burgern bei McDonalds und sogar, kein Scherz, zu Eis...!

25. Januar 2011

Dorfdisse

Freitag, 12:35 Uhr: Es ist ruhig in Kok Payom. Alle Männer sind brav, wie es der Koran vorschreibt, in der Moschee, um dort das Freitagsgebet, das salāt al-dschumʿa zu verrichten.

21:02 Uhr: Ich befinde mich auf dem Weg nach La-Ngu, um dort die Dorfdisko zu besuchen. La-Ngu ist eine winzige Kleinstadt, vergleichbar von dessen Bedeutung und Größe mit Großwudicke und Hämerten, Orte an denen man hält, wenn man sich für eine Reise nach Berlin nur ein Schönes-Wochenend-Ticket leisten kann. Und so wie Großwudicke, hat auch La-Ngu, im mehrheitlich muslimischen Thailand diese eine Dorfdisse.

Muslimisch heißt eigentlich: Man ist brav, solange Frau Kopftuch trägt und anstößig wenn Frau, Mann oder Ladyboy an so öffentlichen Orten, wie verlassene Strände bei Nacht, Händchen hält.

21:16 Uhr: Ich gehe durch die Tür und befinde mich vor einer anderen Tür. „Der Schuppen hier hat sogar einen Vorraum – coool“, denk ich mir. In diesem Vorraum ist auch ein kleines buddhistisches Gesteck aufgebaut, welches nun eindeutig klar macht, dass man hier auch Alkohol kaufen kann.

21:17 Uhr: Ich bin drinnen. „City Pub“ heißt der…hmmm… ja, worum handelt es hier eigentlich? Um einen Club? Oder ist der in der Zeit etwas zurück und damit um eine Disko? Weder noch? Ist Tanzhaus korrekter? Oder ist es tatsächlich eine Kneipe. Sehr schwierig zu sagen! Sagen wir: „Lokalität“: „City Pub“ heißt die Lokalität.

Natürlich wird hier Musik gespielt. Die Übergänge gestaltet der DJ immer mit dieser spannungsaufbauenden, dramatischen Pause zwischen den Liedern auf der CD. Sie heißt wahrscheinlich „Ballermannhits 1997“ und schaffte es wahrscheinlich selbst 97 nicht über die 2 Mark 99 Grabbelkiste bei Karstadt kurz vor der Kasse hinaus.

21:21 Uhr: Ich bestelle mir für 100 Baht, umgerechnet 2,50 Euro ein Chang. Statt diesem Bier könnte ich mir auch schon ein nettes T-Shirt kaufen. Dafür wird einem das Eis aber kostenlos gestellt und sogar ganz exklusiv am Tisch das Glas erst mit den Eiswürfeln und dann mit dem Bier gefüllt... Kommentar erforderlich?

21:47 Uhr: „Moonlightshadow“ wird gespielt… „I’m your Moonlightshadow…”

22:02 Uhr: Die Musikanlage wird ausgemacht und die Liveband betritt die Bühne.

22:06 Uhr: Es wird gut. Die Jungs auf der Bühne haben richtig Spaß! Ganz anders als die Livebands in den Touri-Gegenden, die gelangweilt und extrem routiniert tagtäglich ihr Program runter spielen. Für 20 Baht kann man sich sogar ein Lied wünschen.

22:32 Uhr: Jetzt ist schon der fünfte Bill Kaulitz auf der Tanzfläche. Unfassbar. Wie lange der wohl vorm Spiegel stand? Wahrscheinlich noch länger als der Ladyboy da hinter, die nur an ihrer Größe erkennbar ist.

23:45 Uhr: Jetzt ist der Höhepunkt der Besucherzahlen erreicht. So 50 Leute sind hier. Es ist also noch ordentlich Platz zum bewegen. Der wird auch ausgenutzt. Die wehleidigen Blicke der Sänger auf der Bühne lassen erahnen, worum es in den Popliedern geht. Die Kiddis hier, die noch im abgelegenen La-Ngu festhängen, bewegen sich aber eher wie die ausdauerndsten Headbanger in Wacken.

00:14 Uhr: „Dies ist wohl ein beliebtes Stück“, schließe ich frei nach Sherlock Holmes. Anders sind die Schreie der Mädels, wie auf einem Tokio Hotel Konzert, nicht zu erklären.

Ja ich weiß. Tokio Hotel ist überholt. Justin Bieber ist in. Aber die sehen nun mal alle aus wie Bill und nicht wie Justin.

1:21 Uhr: Es muss daran liegen, dass die Thailänder alle so dünn und klein sind und deshalb weniger Blut haben! Anders ist es nicht zu erklären, dass die nach zwei Bier schon so betrunken sind. Nein, es geht hier eigentlich verglichen mit deutschen „Lokalitäten“ ziemlich harmlos zu. An den Bärtchen (-chen, denn Testasteron ist hier nicht so verbreitet) erkennt man die Moslems. Deshalb macht es auch nichts, dass es keine getrennten Toiletten für Frau und Mann gibt.

02:37 Uhr: Das letzte Stück geht zu Ende. Die Band wird mit großem Beifall verabschiedet.

02:39 Uhr: Ich befinde mich auf den Weg zu dem Haus wo wir heute schon zwischendrin mal waren. Dem Haus von Abdun.

Und wie wars? Anders. Interessant. Nicht unbedingt besser oder schlechter. Man soll ja nicht werten! Wobei ich das Gefühl hatte, dass die meisten hier deutlich mehr Spaß hatten, als so manche Deutsche, die in Clubs entweder irgendwas am „Publikum“ oder der Musik auszusetzten haben oder schlechtweg zu vollgedrönt sind um überhaupt noch irgendwas wahrzunehmen. Einfach mal Spaß haben Leudde! Ein wenig Gesellschaftkritik darf ja wohl auch mal sein…