17. Dezember 2010

Ungewissheit

Wie fühlst du dich gerade?
Frei.
Warum?
Weil ich auf einem Motorrad unterwegs bin.
Wer fährt denn das Motorrad?
So ein cooler Typ anfang 30 den wir gerade auf einem Dörfer-Meeting zu Ökotourismus kennen lernten.
Und wo geht's hin?
Keine Ahnung.

Du fährst also gerade irgendwo durch die Gegend, hast deinen Fahrer gerade erst kennen gelernt und weißt nicht wo es hin geht?
Exakt.
Bist du alleine?
Jonas, mein Projektpartner ist mit mir unterwegs.

Du schreibst, wenn du angekommen bist?
Jetzt.
Und wo bist du?
Wohl an seiner Arbeitsstelle.
Wie sieht sie aus?
Scheint eine Malerwerkstatt zu sein. Es liegen hier überall Farbeimer, Tapeziertische und Klebepistolen usw. rum.
Aber?
Er ist Grafikdesigner.
Grafikdesigner?
Ja, hat er gesagt. Macht auch Sinn, es liegen nämlich auch überall Bücher zu Coral Draw und Photoshop auf dem Boden.
Und wo liegt diese Werbeagentur?
In einem Vorort von La-Ngu.
La-Ngu?
Mit ca. 20.000 Einwohnern die nächstgrößere Stadt hier.
Und da gibt es seine Werbeagentur?
Nun, auch hier wollen die Läden ein Aushängeschild. Die Wertbung ist ja nun auch klein, einfach und billig.
Hhhm.
Die Bananenchips im Imbiss 50 Meter weiter haben wir übrigens bereits aufgegessen und unsere paar Worte Thai mit den beiden anderen Mitarbeitern der Agentur ausgesprochen.

Wo geht’s nun hin?
Keine Ahnung.
Also wieder das gleiche?
Diesmal nur im Auto vom Kollegen.
Und wie geht's dir so in der Ungewissheit wo es hin geht?
Voll cool. Sind ja auch schon da.
Und wo ist dieses da?
Ein Steg. Wir werden auf einem kleinen Boot ca. 20 Meter auf eine Art Hausboot gefahren. Um uns herum sind Muschelfarmen.
Wer ist denn alles da?
Jonas und ich, der Motorradfahrer, sein Kollege und jetzt noch ein älterer Fischer.
Was macht ihr?
Natürlich essen, wie immer in Thailand.

Wird wohl etwas dauern. In der Zwischenzeit kannst du ja rechts an der Umfrage teilnehmen oder die Karte von Kok Payom (den Link gibts oben) bestaunen.
Okey, mach ich.

So es geht weiter. Ich überspring mal die Fahrt. Wir sind im Haus unseres Fahrers oder im Haus seiner Mutter. Weiß ich nicht so genau.
Und was macht ihr hier?
Was wohl?
Essen?
Genau!
Und was? Wir kauen an irgend so ner Zuckerpflanze rum. Bambus oder so.
Lecker?
Joah. Aber vorallem klebrig und die Zähne fallen beim Abbeissen fast ab.
Wie lange bleibt ihr?
Sind schon weiter, im Haus gegenüber.
Und was gibt es hier zu essen?
So ein Drogenblatt. Soll einen wohl schwummerig machen.
Und, merkst was?
Nö.
Wenigstens lecker?
Nee, total ecklig.
Hhhm... wie viele Häuser kommen noch?
Kein Plan. Wir sind aber schon im nächsten. Hier sind viele Leute und gucken Fernsehen und wir essen Erdnüsse.
Spannend?
Naja.
Ihr esst ja ziemlich viel.
Joah. Aber gleich gibt es nochmal richtig essen.
Na dann... wo denn?
Weiß ich nicht, aber Essen werden uns die Thais schon geben…

Und tatsächlich haben wir noch Essen bekommen. Und wir haben ihn, er heißt Abdun, nochmal getroffen. Dann ging es erst zu seinem Haus, dann zum Nachbarhaus, dann noch ein Haus im Dorf, dann zu einem Laden, wo wir in dessen Garten Wassermelonen pflückten, für 10 Minuten zum Meer, zu einem idylisch gelegenem Restaurant, vorbei an einem Laden wo es Bananenchips gab, zu einer Feier, was dort gefeiert wurde weiß ich nicht, dann zu einem Haus mit ganz vielen kleinen Kindern, weiter zu einem Laden wo es Eis gab, im Haus gegenüber trafen wir dann Banghot, einziger Namen den ich mir merken konnte, nächste Station war wieder das Abduns Haus, wo wir zu anfang waren, von dort fuhren wir zu seinem Freund und aßen dort Maiskolben, weiter zu einem Restaurant, von dort wieder zu seinem Haus, haben dort geduscht, dann gings in die Dorf-Disse "City-Pub", nachts um drei kamen wir wieder bei ihm an und schliefen dann dort...

Und wie der Besuch in der Dorfdisco "City-Pub" an einem freitag Abend, dem heiligen Freitag "Yaum al-ǧumʿa" in einer mehrheitlichen muslischen Gegend, irgendwo im Süden Thailands war, erfahrt ihr im nächsten Beitrag...

6. Dezember 2010

Loi Krathong

Ich hatte bereits viele verschiedene Bilder über Thailand im Kopf, bevor ich hier ankam. Eines dieser Bilder war eines, auf dem viele Lichter auf einem Fluss oder See zu sehen sind. Natürlich gibt es diesen Brauch wirklich. Er wird beim Fest Loi Krathong gelebt. Den Ursprung kenne ich nicht. Auf jeden Fall machen Moslems da nicht mit. Dies ist aber weniger problematisch, da meine Organisation Dalaa ein zweites Long-Term-Project in Klong Dan, einem buddhistischem Dorf, hat. Dort wurde das Fest also gefeiert und die Freiwilligen dort luden uns ein.

So war ich an einem heißen Novembertag vor der Vollmondnacht in Klong Dan. Lassen wir uns nun lieber an Hand von Bildern erklären.


Tagsüber, und dass war eingentlich das einzig Besondere während die Sonne schien, hat man sein Böötchen aus Bananenblättern gebastelt.


So sieht das Ergebnis aus. Fürs Glück noch mit Haaren und Fingernägeln bestückt.


Und so sehen die professionellen aus.


Und es wurde dunkel in Klong Dan.


Es gab eine Bühne, auf der seltsame Tänze in interesannten Klamotten zu schräger Musik vorgeführt wurden. Ich fands eher schrecklich als aushaltbar und wenig beeindruckend. Am Rand gab es weniger spektakuläre Essbuden.


Auf dieser Bühne wurde Livemusik gespielt. Sie stand etwas weiter von der anderen Bühne entfernt. Leider zu wenig weiter, um sich nicht gegenanseitig tierisch zu stören.


Hier wurde auch ein wohl sehr bekanntes Stück Schattenspiel vorgeführt.


So ein paar hundert Leute sind gekommen.


Ein ganz wenig Feuerwekr gab es auch.


Und dann hat man irgendwann auch sein Böötchen aufs Wasser gesetzt. Jede und jeder wann er wollte. Die Kerzen waren auch meist nach der zweiten kleineren Welle aus. Es sah also nie so wirklich spektakulär aus.


Startvorbereitungen für einen kleinen Heißluftballon.


Und los gehts...


Der erste landete im Baum. Der zweite flog dann.

Loi Krathing im überschaubarem Klong Dan war weniger spektakulär als einfach sehr sehr nett.

27. November 2010

Eine Odyssee

Jetzt bin ich schon fast drei Monate hier. Wenn ich dies zum Anlass nehme, die Erlebnisse, die ich bisher hier machen durfte, resümierend zu bewerten, käme ich zu einem Schluss irgendwo zwischen „super“ und „Wahnsinn“.

Ach, lassen wir uns doch dieses Resümee ziehen: Es ist geil hier!

Jedoch bedeutet mein dreimonatiges Hiersein auch, dass es Zeit ist, mein Visum zu erneuern. Dies tut man, indem man zur thailändischen Grenze geht, einmal kurz rüber und wieder ins Land rein. Oder man verbindet den „Visa-Run“ mit einem kurzem Urlaub in dem jeweiligen Land, um wieder Energie für die Arbeit in Kok Payom zu tanken. Option zwei klingt natürlich viel attraktiver und sollte ich wählen.

Da ich hier soweit im Süden liege, dass ich vom Strand aus bereits eine malaysische Insel mit dem bloßen Auge (plus Brille) erkennen kann, soll mein Kurzurlaub natürlich nach Malaysia gehen. Genaues Ziel ist die Stadt Georgetown, auf der Insel Pinang.

Wie kommt man an die Grenze? Mit dem Bus muss man ziemliche Umwege gehen. Deshalb scheint hitchhiken (per Anhalter fahren), die bessere Methode.

Hitchhiken in Thailand? Ja.

Das erste Auto, das in Kok Payom ankommt, bringt uns Freiwillige in die nahe gelegene Kleinstadt La-Ngu. Dort fahren die anderen Freiwillige mit dem Bus in die andere Richtung. Also bin ich jetzt allein.

Um 9:30 stehe ich am Stadtrand von La-Ngu. Keine zehn Autos fahren an mir vorbei, bis eines anhält und die Windschutzscheibe runterfährt. „Bai nai?“, werde ich gefragt. Ich antworte „bai Chalung.“ Eine kurze Handbewegung zeigt, ich darf auf die Ladefläche steigen. Um kurz nach zehn bin ich dann in Chalung.

Dort gehe ich dann zehn Minuten zur nächsten Straße Richtung Grenze. An der Straße angekommen, fahren an mir gefühlte drei Autos vorbei, bis von der Gegenspur ein Auto auf meine Seite rüberfährt und mich ebenfalls fragt „bai nai?“. Diesmal meine Antwort: „Maläy.“ Der Familienvater kommt zu dem Schluss, dass diese Straße zum Hitchhiken ungeeignet ist, da hier wenig Autos vorbeikämen und bringt mich kurz zu einer anderen Straße Richtung Grenze.

„Hitchhike ich halte hier“, denk ich mir und warte wieder keine 10 Minuten. Ja, es ist so einfach. Einige Freiwillige, nehmen zu Hitchhiken nicht einmal ihren Rucksack ab.

Warum ist es so einfach? Zum einen lieben Thais Farrangs (=Weiße). Sicherlich ist ein Grund dafür, dass Thailand größtenteils ihre Unabhängigkeit durchgängig bewahrt hat. Thais sind so gastfreundlich, dass es als Weißer einfacher ist zu hitchhiken, als für Thais. Sie finden es einfach cool einen Farrang rumzufahren. Zum anderen sind Thais absolut hilfsbereit. Dass mit dem per Anhalter fahren kenn die gar nicht. Für die steht da ein „hilfloser, orientierungsloser Weißer“, der irgendwo hin möchte.

Und dass Thais einen einfach nicht nur einfach mitnehmen, zeigt der Fahrer des Autos, in das ich nun steige.

Ich sitze in einem ziemlich coolen Auto. Die Klimaanlage ist voll an, die Fenster verdunkelt, die Tachometer leuchtet blau und der Fahrer ist angeschnallt. Er arbeitet, wie ich herausfinde im „Department of Transportation“ in Bangkok und besucht nun, zur Feier des muslimischen Feiertags seine Familie.

Nun nimmt er aber mich mit. Da er, obwohl er ein reicher Beamter ist, kein Englisch kann, fährt er erst mal zu einer Freundin. Diese soll mitkommen, damit wir uns besser unterhalten können. Diese ist Englischlehrerin, wenn ich es richtig habe. Verstehen tue ich sie nämlich nicht wirklich. Denn die kann so viel Englisch, wie ich Thai, wie die meisten Englischlehrerinnen hier. Und ich kann nach wie vor ziemlich wenig Thai. Aber deshalb hitchhike ich ja auch- um Thai zu lernen.

Ich sitze nun also im Auto, mit dem Fahrer, der seine Familie besucht und dessen Bekannte, die Englischlehrerin. Wohin es geht, weiß ich nicht. Nach kurzer Zeit befinden wir uns auf einer kleinen Straße, die durch ein Dorf führt. Wir landen bei der Familie meines Fahrers. Ich werde, was mich nicht wundert, zum Snack eingeladen. Natürlich Cah-numm (=Gebäck). Es ist ja Feiertag. Auch die Ananas kommt. „Sappalot“ bezeichne ich diese richtig, was mir gleich Sympathien einbringt. Eigentlich wäre der Kaffee üblich, ich bekomme aber Sprite.

Mein Fahrer ist nach seiner langen Autofahrt von Bangkok am Ziel. Dennoch fährt er mich, nachdem ich kurz den Snack zu mir nahm, zur Grenze. Den Sprit und die 15 Minuten Zeit für den Weg zur Grenze mit mir und für den Rückweg ohne mich, nimmt er und die Lehrerin gerne für mich auf. So gastfreundlich sind die Thais.

An der Grenze treffe ich einen älteren Herren aus Pakistan, der mich bittet, beim Ausfüllen seiner Arrivalcard zu helfen. Tue ich natürlich. Ich blättere in dessen Reisepass rum, um Informationen, wie Ausstellungsort und Gültigkeitsdatum zu finden. So ein pakistanischer Reisepass ist ziemlich dick, da mit Informationen, wie Namen der Eltern und Religionszugehörigkeit (dickste Schrift und unterstrichen) vollgestopft. Dass der Herr wahrscheinlich nicht am 1.1.1967 geboren ist, sondern wahrscheinlich deutlich früher, weiß ich, weil ich eine Woche zuvor diesen SpiegelOnline Artikel laß.

Jetzt bin ich in Malaysia. Es ist 12:10. Früh genug, um noch heute nach Georgetown zu kommen. Ich treffe wieder den Pakistani und frage ihn: „Where you go?“ (das „Do“ bewusst weggelassen). Er sagt: „wait van… you go Pinang [Georgetown]?“ „Yes“ „I bring you Kangar, you take bus“ „okey“ „You help, I help, we brothers.” Ich lächel zustimmend. Sein Van ist aber noch nicht da. Deshalb bittet er mich auf die Bank zu setzen und sagt: „wait brother“. Nachdem ich ihm sein Handy lieh und er es zurückgibt bedankt er sich mit den Worten: „Thank you, brother.“

Und er geht weg. Und ich warte.

Klar, ich könnte auch weggehen. Aber er ist mir sehr dankbar und möchte sich nun bedanken, versprach mir sogar zu helfen, da warte ich lieber.

Es regnet jetzt sowieso, da kann ich eh nicht los.

Und mein Brother kommt nicht. Er ist verschwunden. Nach eine Stunde gehe deshalb ohne ihn weiter.

Drei Autos warte ich, nimmt mich wieder einer mit. Diesmal ein Malaysier. „Hitchhiken geht also auch hier“, denk ich mir. Er setzt mich an einer Taxistation in einer Kleinstadt ab.

Und plötzlich ist man in einem anderen Land. Hier können die Menschen zwar viel besser Englisch, aber auch viel schlechter lachen. Plötzlich wird man nicht mehr überall „Hello you“, „Haha… Farang“, „What your name?“ mit großem Lachen begrüßt. Stattdessen guckt man in finstere Mienen.

Ich weiß nicht wie diese Stadt heißt, gehe fast wieder aus Malaysia raus. Alles ist leer. Große Straßen ohne Menschen. Viele Läden sind geschlossen, wegen des muslimischen Feiertags. Alles ist eh schon viel ärmer hier. So sieht man Läden, geschlossen, mit Eisengittern verriegelt und darüber teilweise sehr alte, heruntergekommene Reklameschilder. Einer der wenigen Läden, die geöffnet sind, verkauft alte Kassetten. Nicht gerade ein Produkt dieses Jahrtausends.

Der Himmel ist grau, es regnet, aber nur manchmal, ekliges Schauerwetter eben. Im Hintergrund sieht man Container, Baustellen. Ich war noch nicht an vielen Orten in meinem Leben. Größere Armut habe ich bis jetzt nur in Chicago gesehen. Insgesamt bleibt die Stadt, die Padang Besar heißt, als ärmste, toteste und traurigste Stadt in meiner Erinnerung.

Ich versuche zu hitchhiken. Vergeblich. Ich warte eine halbe Stunde, in der an mir über 200 Autos vorbeifahren. Einzige, die anhält, ist natürlich Thailänderin, die aber in die andere Richtung möchte. Zur Verteidigung des malaysischen Volkes muss ich aber eingestehen, dass ich an einer Stelle stehe, wo es schwierig ist, anzuhalten. Ich muss also wohl doch das Taxi nehmen und gehe zur Taxistation, bei der ich zuvor herausgelassen wurde.

Das Taxi, welches der einzige Ausweg aus dieser Stadt zu seien scheint, kostet ich 30 R. Ohne den Wechselkurs zu wissen, willige ich ein. Meinen Abschätzungen durch den Preisvergleich bei 7-11 wird es sich so um fünf Euro handeln.

Aufgenommen in Padang Besar.


Ich komme in Kangar gegen fünf an. Bunter ist es hier auch nicht. Immerhin ein KFC. Langsam ist es spät. Ein Bus-Express soll es hier geben. Im KFC geht es so langsam voran, dass ich mich entscheide weiterzugehen, obwohl meine letzte Mahlzeit um 8:30 war. Es gibt, wegen des Feiertags keine Alternative zu KFC. Die Leute, die ich nach dem Weg zur Busstation frage, antworten schlimmer als Deutsche. Kein Lachen, keine Frage, ein schlichtes Zeigen. Angekommen an der Busstation, sind von den bestimmt 20 Schaltern nur noch sechs offen. Ich frage jeden einzeln ab. Aber alle sagen mir es gingen heute keine Busse mehr nach Georgetown.

Immerhin. Hier gibt es Hotels und KFC ist 24h geöffnet. Bleiben will ich hier trotzdem nicht. Ich gehe zu einem stehenden Bus. Hier wird mir erklärt ich könne diesen Bus nehmen und dann in Alor Star umsteigen. Ich willige ein. Schlimmer kann es in Alor Star nicht sein. Auf meiner Karte, die sich im Touriheft, welches ich an der Grenze bekam, ist Alor Star zumindest eingezeichnet. Der Bus ist klimatisiert und die Sitze sind komfortabel.

Die Uhr im Bus irritiert mich. Hier ist es schon 6:40pm, eine Stunde voraus. Habe ich, ohne es zu wissen, eine Zeitzone durchstrichen?

Wie richtig es doch war, nicht bei KFC in der Schlange zu bleiben. Hätte ich gewartet, wäre der Bus ohne mich losgefahren.

Ich gucke aus dem Fenster und es wird langsam dunkel. Ein Hotelzimmer werde ich schon immer irgendwie kriegen, oder?
Ich komme nach 40 Minuten in Alor Star an. Es ist jetzt ganz dunkel. An dem Schalter dieses riesigen Busbahnhofs heißt es, ich könne nach Butterworth fahren und von dort eine Fähre nehmen. Der Bus geht um acht. „In 20 minutes“. Die Zeit ist also doch umgestellt, eine Stunde voraus. In den 20 Minuten kaufe ich mir schnell zwei Chickenburger. Mit denen müsste es sich bis morgen aushalten!

Problem: Butterworth ist zwar auf meiner Karte, wird aber klein sein. Größte Hoffnung: Der Ort liegt an der Küste. Eigentlich haben alle Orte am Meer Hotels. Sollte ich dort auf Tourismus treffen, wäre ich gerettet. Bis jetzt bin ich aber eh noch optimistisch, optimistisch genug, wieder eine Stadt mit KFC und Hotels hinter mir zu lassen.

Noch ein Blick auf die Karte: Schock. Der Weg nach Butterworth ist ziemlich weit. Von Kargar nach Alor Star dauerte es knappe 40 Minuten. Der Weg jetzt scheint mehr als 3-Mal so land. 3X40=120 Minuten… dann ist es, die Zeit wurde umgestellt, 22:00, ohne ein Hotel zu haben, noch richtig gegessen zu haben… we’ll see.

Als wir nach zehn Minuten an einer Reihe gut aussehender Hotels vorbeikommen denke ich nur: „Vielleicht hätte ich lieber hier bleiben sollen…“

Ich fühle mich wie beim Russian Roulette. Drei Mal hab ich gesagt weiterspielen. Dreimal haben sich die Orte vom Wert verdoppelt. Kangar ist doppelt so attraktiv wie Padang Besar, Alor Star doppelt so attraktiv wie Kangar. Und wahrscheinlich ist Butterworth doppelt so gut wie Alor Star. Ich sehe mich nur nachts durch eine Stadt irren, ohne ein Hotel zu finden, ohne gegessen zu haben… Ich werde, sage ich jetzt, nach dieser Runde aussteigen und in Butterworth bleiben.

Hafen… weit kann es also nicht mehr sein. Hafen… da fühlt man sich gleich wie zu Hause!

Ich hab mich verschätzt und komme bereits um halb zehn in Butterworth an. Ich irre ein wenig auf und um dem stark belebten Bahnhof rum. Keine Ahnung, wo ich hinsoll, deshalb folge ich dem Schild „Ferry“. Mit diesem öffentlichem und rege benutztem Verkehrsmittel fahre ich nach Georgetown, wo ich genau um 22:15 ankomme.

Ich höre Hupen… Leben! Das erste Taxi nehme ich, handeln tue ich gar nicht mehr. Ich will nur noch ins Guesthouse, dass Banana-Guesthouse, welches mit von einer Freiwilligen empfohlen wurde. Dort angekommen, sind nur noch etwas teurere Zimmer frei. Es ist mir egal. Zu müde bin ich, wobei ich einfach 10 Meter weiter ins nächste Guesthouse gehen könnte. Um viertel vor elf hab ich endlich eingecheckt und ein Bett.

Draußen gehe ich ins erstbeste Restaurant. Bezahlt. Es hat als doch geklappt: Ich bin angekommen, habe ein Bett und einen vollen Magen. Es ist halb zwölf.

Georgetown selbst ist die Reise aber wert gewesen! Eine der besten Städte, die ich je gesehen habe. Mit 300.000 Einwohnern alles außer zu groß. Die Insel hat eine lange Geschichte, war bedeutend in vielen Kriegen. So genießt sie sehr viele Einflüsse, britische, chinesische, indische, persische und natürlich malaysische. Die Innenstadt ist deshalb 2008 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden, da hier seit langem viele Kulturen und Religionen friedlich auf engem Raum zusammen leben. Man geht 10 Minuten und kommt an 100 Jahre alte Kirchen, Moscheen und chinesischen Tempeln vorbei. Chinatown und Indiatown sind wenige 100 Meter entfernt und dazwischen findet man persische Restaurants. Mehr Vielfalt, mehr Leben kann eine Stadt kaum haben.

Und dann liegt sie auch noch so schön am Meer. Weil die Stadt so attraktiv ist, gibt es auch viele Touristen hier. An der Küste findet man riesige Hotelanlagen und Shoppingmalls. Dort findet man sogar Timberland-Winterjacken. Auch können die Menschen in ganz Malaysia, besonders aber nochmal in Georgetown Englisch.

Die Stadt wurde, wie ich nachher erfahren habe, mehrfach und vauf verschiedenen Ranglisten in die Top Ten der attraktivsten Städte Asiens gewählt (unter anderem von der AsiaWeek).

Das ganze Rumgelaufe war dann aber doch ganz schön anstrengend. So habe ich mich nicht erholt, sondern erschöpft, aber die Stadt total genossen!

Nach zwei Nächten fahre ich zurück nach Thailand. Für acht Euro mit dem Direktbus…

Georgetown von der Fähre aus.

Man beachte die Schilder.

Eine Moschee...

...und noch eine.

Eine alte Kirche (St. Francis Xavier).

Weihnachtsdekoration.

25. Oktober 2010

Ein Land im Wandel

Als vor nicht einmal einem halben Jahr die Demonstrationen der Rothemden in Bangkok durch die Medien gingen, hätte ich es als doch schon für ziemlich unwahrscheinlich gehalten, während meines Jahres in Thailand Teilnehmer einer Demonstration zu werden. Und nun ist genau das passiert. Und nicht nur, dass ich Teilnehmer gewesen sei, ich habe sogar bis nach Mitternacht am Vorabend ein an einem Transparent gemalt. Es passieren eben auch unvorhergesehene Dinge.

Und all die, die sich jetzt fragen, ob ich nun gelb oder rot getragen haben oder gar fürchten, ich sei lebensmüde geworden, kann ich beruhigen: Die Demo war legal und richtete sich gegen ein Bauvorhaben der thailändischen Regierung.

Anhand diesem Bauvorhaben und des Protest versuche ich in diesem langen Beitrag ein wenig Thailands Rolle in der Weltwirtschaft von innen darzustellen. Quasi hat ein Teil meiner Arbeit hier, direkt mit Thailands Wandel zu tun.

Aber der Reihe nach.

Thailand ist wahrscheinlich ein Schwellenland per excellence. Essen wird hier eher weggeschmissen als aufgehoben. Akute Armut gibt es hier (im Süden) nicht. Dennoch „dusche“ ich mich, indem ich einen Eimer mit selbst geschöpftem Wasser über den Kopf schütte. Auf meinem Schulweg muss ich aufpassen, keine Hühner zu überfahren. Denn sehr viele Familien halten Hühner hier, um von denen zu leben.

Man kann aber auch 30 Minuten mit einem Auto fahren, welches auch in Deutschland seinen TÜV-Stempel bekäme und landet in einem Tesco oder Carfour, die so eins zu eins in England oder Texas stehen könnten. Dort kann ich mein Hühnchen bei KFC essen.

Wiederum 100 Meter weiter trifft man auf dem Markt Menschen Tätigkeiten ausüben, die dem informellen Sektor zuordbar sind. Hier verdienen Leute Geld (dazu), indem sie auf dem Markt nichts weiter tun, als gewöhnliche Cola mit Eis im Becher zu verkaufen.

Und so sehr, wie sich die Einkaufmöglichkeiten unterscheiden, unterscheiden sich auch die Lebensstile. Der Manager einer KFC-Filiale führt ein Leben, weitgehend wie wir im Westen, während der Fischer hier in Kok Payom ein komplett anderes führt.

Die Toilette.

Die "Dusche".

Und so sieht unser Laden in Kok Payom aus...

... und so Carfour...

...mit abgepacktem Gemüse.

<

McDonald gibts natürlich überall.


Ich habe das Glück, wahrscheinlich anders als der Sohn des KFC-Managers oder Kassiers von Carfour, dieses andere Leben kennen lernen zu dürfen. Es ist beeindruckend, zu sehen, wie frei von Konsum die Menschen hier im Dorf sind.

Obwohl sich auch bei den Dorfbewohnern ein scheinbar natürlicher Instinkt löst, auch das haben zu wollen was der Nachbar hat, bewahren sie wichtigeren Dingen einen tieferen und sicheren Platz in ihrem Herzen, Dingen, wie Familie, Glück und des Nachbars Glück.

Und so wird einem hier mehr Essen angeboten, als der Magen verträgt oder sein gutes Gewissen aushält, obwohl wir Freiwillige doch so viel reicher sind. Der formale Präsident meiner Organisation, der vom Leben hier so gepackt wurde, dass dieser hier hinzog, darf in dem Zweithaus eines Dorfbewohners wohnen, ohne das dieser dafür Miete möchte. Wenn größere Arbeit im Reisfeld ansteht, wie das Pflanzen neues Reis‘, helfen unzählige Frauen aus. Nur mit Wasser und Snacks bezahlt, stehen diese dann in praller Sonne bis zu den Knien im Matsch gebückt und pflanzen Reis, obwohl jemand anderes viel Geld mit dem Verkauf des Reis‘ verdient.

Auf Grund der starken Dorfgemeinschaft betreibt das Dorf gemeinsam einen Recyclehof, Hühnerhof und Pilzfarm. Alle sind sich hier Freund und Freundin. Es ist, wie angedeutet, nicht ungewöhnlich, spontan zum Essen eingeladen zu werden. Und wenn man dann auf irgendeiner Terrasse sitzt, ist es wiederum mehr als gewöhnlich, dass sich ein vorbeilaufender Passant einfach dazu setzt und auch, dann aber nachdem es angeboten wurde, mitisst. Zur Abendzeit ist hier wahrscheinlich kein Haus ausschließlich mit seinen Bewohnern behaust.

So schön es ist, Zuschauer dieses Lebens sein zu dürfen, muss ich aber leider auch feststellen, selbst dieses Leben zwar beobachten, es dann vielleicht auch rational verstehen und nachvollziehen kann, es selbst aber nie, davon bin ich überzeugt, vom Herzen begreifen werde, sodass es mir maximal gelänge, dieses Leben vollständig nach- und dann mitzuleben, ich es jedoch selbst nie leben könnte. Zu sehr bin ich dafür gefangen und abhängig von der stärksten und mächtigsten Droge überhaupt, der Droge Geld.

Leider sieht man hier in Thailand, wie Geld und der Wunsch nach Konsum immer mehr Herzen befällt.

Die Bewohner der Städte sind sicherlich zum größten Teil schon befallen.

Während in Kok Payom, zumindest die ältere Generation, wie beschrieben, andere Dinge fester im Herzen verankert hat, sich den Konsum auf sicheren Abstand hält, sieht das auch hier mit der jüngeren Generation schon anders aus.

Was genau der Auslöser ist, weiß ich nicht, vielleicht der auf dem Uni-PC eröffnete Facebook-Account, die Spielwarenabteilung im Tesco, die Geschmacksverstärker im Chicken von KFC oder die Werbung in den Rundenpausen beim Thai-Boxen. Fakt ist aber, dass die Kinder hier, mindestens bis sie 16 sind zur Schule gehen, die meisten danach zum studieren in die Stadt ziehen, dort dann oft nach dem Abschluss des Studiums für einen gut bezahlten Bürojob bleiben, statt für ein Leben als Fischer oder Hausfrau nach Kok Payom zurückzukehren.

Und nun kommt auch noch die Politik ins Spiel.

Thailand geht es wirtschaftlich nicht gerade schlecht. Dennoch macht Tourismus nach wie vor den größten Teil des Bruttosozialprodukts aus. Die Regierung, die sicherlich vom Geld befallen ist, will Thailand weiter industrialisieren. Genau deshalb baut sie - vor den Toren Kok Payoms, in Pak Bara.

Der Plan ist, jeweils einen riesen Hafen an der Ost- und Westküste Südthailands zu bauen. Die riesen Containerschiffe aus Japan, Korea und China auf dem Weg nach Europa sollen an der Ostküste anlegen, die Container dann auf Zügen das relativ dünne Landstück überqueren und dann an der Westküste wieder auf Schiffe geladen werden. Damit soll der Weg um Malaysia gespart werden (Link zu einer Karte Asiens). Die Häfen sollen den Umschlaghafen "Port of Singapore" ersetzen. Sie sollen zu den größten Häfen der Welt gehören.

Außerdem soll eine Ölpipeline durchs Land führen, um das Öl, dass sich im Meer östlich von Thailands befindet an die Westküste geleitet werden kann, um es dann von dort nach Europa und die Welt zu exportieren.

Wenn man so einen Hafen möchte, braucht man natürlich auch eine entsprechende Infrastruktur: Platz um Container zu lagern, Atomkraftwerke zur Stromversorgung (man könnte sich, wird es aber nicht, alternativer Energien bedienen), Schienen und Güterbahnhöfe etc. Sicherlich werden auch sehr schnell Fabriken, die Dinge hier produzieren, kommen. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis ganz Südthailand vollständig industrialisiert sein wird.

Mit der Industrialisierung wird viel Natur zerstört. Allein für den Anleger von vier Kilometer Länge hier an der Westküste, sollen sieben Inseln gesprengt werden. Unter anderem auch Inseln von Tarutao (Wikipedia), die auf Grund ihrer kulturellen Geschichte und seltener Natur ASEAN-Weltkulturerbe sind und auf dem Weg waren, UNESCO-Weltkulturerbe zu werden.

Neben der Natur, bzw. mit der Natur wird Kultur zerstört. Da, nach jetzigem Bauplan, Öltanks bis zehn Meter an die Schule Kok Payoms heran gebaut werden sollen und das Kernstück des Hafens gerade einmal zehn Minuten mit dem Auto entfernt ist, wird dass das Leben hier drastisch verändern.

Die Fischer, die sich jetzt nach dem Mond und Hausfrauen, die sich nach dem Hunger der Kinder richten, werden dann wahrscheinlich im Hafen arbeiten und sich dort an feste Arbeitszeiten halten müssen.

Wie schnell man, nachdem man bei „entfremdeter Arbeit“ nur noch des Geldes wegen und bei geistiger Arbeit nur noch in Hoffnung auf die nächste Beförderung arbeitet, weiß ich nicht. Ich sehe nur viele, viele Herzen befallend.

Ein Way of Living geht zu Ende. Ein Kulturschatz wird zerstört.

Die Bewohner Kok Payoms sind sich dessen bewusst. Deshalb sind sie Teil des Protests gegen das Bauvorhaben.

Und am Vorabend einer Demonstration gegen dieses Bauvorhaben standen wir Freiwillige plötzlich in einer Grundschule und wurden darum gebeten ein Transparent auf Englisch zu erstellen.

Generell finde ich es als Westler schwierig, den Finger zu heben, wenn sich ein Schwellenland auf Kosten der Umwelt entwickeln möchte, da wir ein Teil unseres Reichtums auf Kosten der Umwelt erlangt haben, wobei wir aber nicht den Reichtum, sondern nur die Umweltschäden mit der Welt teilen. Ebenso kann ich als Westler, wie ich finde, schlecht mit der Meinung ankommen, ein Leben ohne Reichtum sei besser. Ich fühle mich ganz einfach unwohl, als jemand aus einem industrialisierten Land kommend, gegen die Industrialisierung Thailands zu demonstrieren.

Dennoch habe ich das Plakat gemalt, mit dem Kauf eines T-Shirts den Protest unterstützt und meinen Name auf eine Unterschriftenliste geschrieben.

Ganz einfach, weil ich, als Teil der Dorf-Community hier und dem Leben das ich hier derzeit führe, gegen den Hafen bin.

Auch unterstütze ich den Protest, um ihm und der Bevölkerung hier eine weitere Stimme zu geben. Denn so wirklich gefragt wurden die Anwohner nicht. Auch wenn ich nicht weiß, wie die Stadtbevölkerung das Bauvorhaben sieht, sollte der Wille, auch wenn es der einer Minderheit ist, gehört werden.

Mittlerweile hat der Protest nicht mehr das Ziel, das Bauvorhaben zu stoppen, sondern hinauszuzögern und zu verändern. Dies durchaus erfolgreich, der Bau, der bereits begonnen hat, wurde für ein halbes Jahr unterbrochen. Ohnehin wird der Bau, wie man sich denken kann, viele viele Jahre brauchen.

Die Demonstration selbst war übrigens relativ unspektakulär. Sie fand statt, am 26. September am Strand, wo jetzt noch Sand liegt, aber irgendwann der Hafen sein wird. Es gab eine Bühne, auf der Reden gehalten, Diskussionen geführt und Musik gespielt wurde. Die Musik war dabei entscheidender Bestandteil, das ganze wurde als eine Art Benefizkonzert aufgezogen.

Es gab eine Unterschriftenliste, auf der alle schön brav unterschrieben, Infostände und ganz viele Stände mit Merchandise-Produkten (ca. 20 verschiedene T-Shirts, Sticker, ein seltsames grünes Tuch usw.), dessen Erlös natürlich der Bewegung zu Gute kommt.

Bewacht wurde das ganze, anders als in Deutschland, nicht von der Polizei, sondern vom Militär. Die brauchen, anders als die Polizistinnen und Polizisten in Deutschland keinen Schutzhelm, denn sie tragen alle ein ein Meter langes Maschinengewehr. Gefahr geht von denen aber nicht aus. Die Veranstalter unterhalten sich mit den Soldaten so, wie sie es in Deutschland mit der Polizei täten. Generell war, bzw. bin ich sicher. Mit dem Unterschied, dass im Falle einer Eskalation eben Kugeln, statt Wasser und Tränengas flögen.


Das Transparent, das wir gemalt haben.



Der Protest wirkt auf mich gut organisiert. Dennoch sind dessen Erfolgsaussichten gering. Zu sehr sehnen sich viele, vor allem die Mächtigen, dem Wandel, dem Wirtschaftswachstum entgegen. Was als Fortschritt in den Augen der einen, der Politiker, der Wirtschaft und wahrscheinlich der Stadtbevölkerung und Teilen der Jugend gesehen wird, bedeutet Rückschritt, Ende und Tot für das jetzige Leben in Kok Payom.

Deshalb packt Kok Payom an. Ziel ist es, eine Sonntagsschule aufzubauen, in der Kok Payoms Kinder, die nur noch geistigen Unterricht erhalten, andere, traditionelle Dinge lernen. Die Dorfbevölkerung möchte ihren Kindern beibringen, wie man fischt, Krebse fängt, Boote baut, Bäume fällt, welche Pflanzen essbar sind und welche nicht, rundum all das, was das Leben als Fischer, mit dessen Naturverbundenheit ausmacht, in der Hoffnung, das bestehende Wissen, so gut und so lange es geht, zu bewahren.

Ich bin von der Idee total begeistert, wo ich sehe, wie ich als Internet Native vielleicht weiß, wie ich im Chat nonverbal kommuniziere, jedoch nicht, wie ich meinen Hunger ohne Aldi oder McDonald stillen könnte.

Möge das Wissen, welches in Deutschland bereits verloren gegangen ist, in Thailand lange erhalten bleiben!

Und wir Freiwillige dürfen, ja wurden sogar darum gebeten, dabei zu helfen.

Da kam es nur so gelegen, dass ein zweiwöchiges „Short-Term-Camp“ für die ersten beiden Oktoberwochen anstand. Es kamen neben den sieben Freiwillige aus Kok Payom, noch Freiwillige aus anderen Projekten und extra dafür angereiste zusammen, um im Mangrovenwald zu arbeiten. Dabei sollten wir die ganze Zeit über von immer so um die zehn Villagern unterstützt werden, bzw. sollten wir, diese unterstützen.

Die Schule sollte selbstverständlich im benachbarten Mangrovenwald gebaut werden. Da es aber ziemlich schwierig ist, ein Haus zu bauen, überließen wir das tatsächliche Bauen den Villagern, sodass sich unsere Arbeit meist darauf beschränkte, die ganzen Materialien in den Wald zu schleppen. Dies war aber schon anstrengend genug.

Nach einer Woche stand das Haus. Wie die Umsetzung am Ende aussieht, weiß ich noch nicht, da die Sonntagsschule noch, wie die „normale Schule“ auch, Ferien hat.

Sand schleppen...


...für die Sonntagsschule.


Übrigens haben wir in der zweiten Woche des Work-Camps eine Krebsfarm gebaut. All die, die bei Südostasien und Krebsfarm irgendwelche umweltzerstörende Fischereiindustrien von Unilever assoziieren, kann ich versprechen, sowas nicht aktiv unterstützen zu würden. In unserer Krebsfarm sollen alle gefangenen Krebse, die Eier mit Nachkommen tragen, natürlich und ohne Medikamente weiterleben, um so für einen nachhaltigen Krebsbestand zu sorgen. Sehr harte und ungewohnte Arbeit, barfuß, bei der Hitze, bis zu den Knien im Wasser stehend, für irgendwelche Krebse mit einem Spaten einen zwei Meter tiefen und bestimmt über 30 Meter langen Graben zu buddeln. Und obwohl es kein Problem ist, sich den Matsch und Schweiß abzuduschen, die Splitter mit der Pinzette zu entfernen, Schwielen mit der Zinksalbe einzureiben und Wunden vom Vortag, die trotz Leukoplast um das Hansaplast-100-%-Wasserdicht-Pflaster mit Matsch in Berührung kamen, zu desinfizieren, schmecken die Krebse nun doch irgendwie anders.

Alles in allem sehr anstrengende, aber definitiv effektive zwei Wochen!

Und nun geht dieser Blog-Beitrag langsam zu Ende. Wahrscheinlich klingt vieles des geschriebenen traurig. Deshalb möchte ich noch mal daran erinnern, dass nichts in der Welt nur schwarz oder weiß ist. Gerade die Industrialisierung hat definitiv seine guten Seiten. Gerade wenn man weiß, die durch den technischen Fortschritt gewonnene Zeit, anders als wir im Westen, für wichtige Dinge, wie Sport, Kunst und Kultur zu nutzen, statt sie dafür zu verschwenden mit Werbung, Verkaufstricks und ähnlichem, künstlichen Wert zu schaffen oder nach immer weiterem Wirtschaftwachstum zu streben. Deshalb besteht die Hoffnung, dass es Thailand gelingt, großen Nutzen aus den Chancen der Industrialisierung zu ziehen. Dies ist eine Kunst, die wir in Europa noch nicht ganz beherrschen, aber vielleicht thailändische Freiwillige in ein paar Jahrzehnten unseren Kindern beibringen können. Vielleicht bleibt uns Thailand im Glücklich sein voraus…

6. Oktober 2010

Homestay

Eine Situation ist seltsam bis sehr seltsam, wenn man beispielsweise auf einem harten Boden, in einem großem Haus, in einem idyllischen Fischerdorf im Süden Thailands sitzt, dort einen sehr schlecht produzierten Film mit sehr durchaubarer Story schaut, dabei aus Höflichkeit ein paar sehr eklige, wie Pflaumen aussehende, aber nach rohen Kartoffeln schmeckende Gemüsestückchen dadurch in sich hineingewürgt bekommt, indem man herausfindet, wie man diese so teilt, dass diese eine größt mögliche Oberfläche bei kleinst möglichem Volumen haben, weil so, neben des Gemüses noch möglichst viel Dip in Form von Zucker den Würgereiz unterdrückbar hält und diese Szenerie noch mit den Gebetsausuf der benachbarten Moschee untermalt wird.

Eine Erkenntnis ist verwunderlich bis sehr verwunderlich, wenn diese beispielsweise die ist, am eben beschriebenen Ort, beim Sprachen Lernen tatsächlich einen praktischen Nutzen aus den unzähligen Lateinstunden ziehen zu können, nicht etwa, weil man "alle Sprachen kann, wenn man Latein kann", sondern, weil man beim Fotos Zeigen auf die im Lateinunterricht einstudierte Fähigkeit zurückgreifen kann, die gewöhnlichsten Wörter, wie Mutter und Vater, schnellstmöglich im Wörtebuch nachschlagen kann.

Ein Dinner ist komisch bis sehr komisch, wenn man beispielsweise während dessen, wie ein Baby im Hochstuhl, vergeblich am Essen rumdrückt, saugt und knabbert, um an das Krabbenflleisch im Inneren des Schutzpanzers zu gelangen, dies jedoch nur mit der Hilfe der Gastgeberin klappt, welche einem nicht nur die Krabben Mundgerecht teilt, sondern auch auffordernd vorführt, dass man sein Reis mit Soße auch mit den Fingern essen kann, so dass das ganze Essen mit den mundgerechten Stückchen in einer riesen Matscherei endet und man sich endgültig wie ein Kleinkind fühlt.

Eine Gefühlslage ist aufgewühlt bis sehr aufgewühlt, wenn man beispielsweise komische bis sehr komische Dinner zu sich nimmt, sich in seltsamen bis sehr seltsamen Szenerien befindet und dabei verwunderliche bis sehr verwunderliche Erkenntnisse gelangt, sodass es vielleicht verständlich ist, wenn sich dann jemand mit einer aufgewühlt bis sehr aufgewühlten Gefühlslage anders ausdrückt, sagen wir, seltsam bis sehr seltsam...

25. September 2010

Ein Tag in der Theorie...

Dieser Post soll ein wenig darstellen, wie ein "normaler" Tag bei mir aussieht. Eigentlich bedarf dies keiner langen Ausfuehrung und ist ganz einfach: "Es gibt keinen normalen Tag".

Jeder Tag ist anders, wie vielleicht ein voheriger Beitrag von mir schon deutlich machte. Dennoch gibt es aber natuerlich bestimmte Ablaeufe, die sich, eben nur anders als in Europa, nicht bestimmt abspielen, sondern eben unbestimmt. Aber es gibt diese Ablauefe, die sich wiederholen.

Fangen wir mit der Nacht an: Es ist gar nicht zu verhindern, dass man waehernd des Schlafs aufwacht, denn irgendein Fischer macht sich des nachts immer auf den Weg Fische zu fangen (manche Fische lassen sich, wie wahrscheinlich bekannt, besonders gut in der Dunkelheit fangen). Dafuer startet er dann einen unglaublich lauten Motor, lauter als ein Presslufthammer, gefuehlte 10 Meter (tatsaechlich sind es 50...) von einem entfernt, was einen garantiert aufweckt.

Um 7:00 steht man dann auf, um Fruehstueck zu holen. Unter der Woche, wo wir unterrichten, alle. Am Wochenende nur einer, der sich dann auf den Weg macht Fruehstueck zu holen. Fruehstueck gibt es fuer ca. 40 ct... man hat die Auswahl zwischen "Sticky Rice mit Chicken", "Curry Rice mit Chicken" und "Nudeln mit Currysauce" (und ja, wir sprechen von Fruehstueck). Gekocht und verkauft von einer Dorfbewohnerin, die morgens Ihre Kochtoepfe draussen aufstellt und einfach drauf los verkauft... ohne SchnickSchnack.

Dann gehts zur Schule, unterrichten ein wenig. Bis 11:30 Uhr. Dann wird zusammen mit den Lehrerinnen und dem Staff "gelunched" (man verzeiche die Anglizismen. Erstens ist unter uns Freiwilligen die Sprache nun mal Englisch, was dazu fuehrt, dass ich schon auf Englisch traeume. Und Zweitens spare ich mir so die politisch korrekte weibliche Formen, wie der der Angestelltinnen).

Zu Hause ist man dann gegen 13:00Uhr und braucht erstmal Pause. Die Kinder sind anstrengend und es ist heiss! Da goennt man sich mal ne halbe Stunde unterm Van (Ventilator). Derzeit bin ich auch brav dabei, wichtige, dicke Literatur zu lesen, da ich glaube, dass dies mein einzigste Jahr im Leben bis zum Ruhestand wird, wo ich dazu komme ein 600 Seiten Buch freiwillig zu lesen. Derzeit widme ich mich Victor Hugos "Die Elenden".

Dann macht man am Nachmittag, was halt so ansteht. Waschen (mit der Hand), ins InternetCafe gehen etc. Am abend wird gekocht, gegessen und verbingt die Zeit in der Salaah, die direkt neben unserem Schlafplatz ist und die wir auch sauber halten). Die Salaah ist ein Aufenthaltsort fuer die Dorfbewohner, den eigentlich nur die Maenner nutzen. Hier gucken die Maenner TV und spielen Dame. Dem gesellt man sich halt dazu. Und abends geht man dann irgendwann ins Bett.

Soweit die Theorie. Die Praxis sieht eher so aus, dass man eher zu der Entlassungsfeier vom gerade fertig studiertem Sohn des Dorfchefs geht und den Tag dann in Hat Yai veringt. Oder einfach Mal mit dem dem Vice-Gouverneur der Satun-Province Tee trinkt. Oder, dass man mit der Schule einen Ausflug zu nem Touriort macht (Krabi) und entscheidet sich zwei Tage frei von der Schule zu nehmen und drei Naechte an einem wunderschoenem Kuestenort verbingt, wo man als Westler mal zur Abwechslung zur Merhheit gehoert...

Wie der letzte Abschnitt deutlich macht, erlebe ich hier mehr, als moeglich ist aufzuschreiben. Ich hoffe aber doch allen, die das entsprechendes Interesse haben, dass eine oder andere dann irgendwann einmal persoenlich zu erzaehlen. Aber erleben ist nun mal mehr wert, als bloggen...!

16. September 2010

Ein Geburtstag auf Thai-Style

Manchmal sagen Bilder mehr als tausend Worte. So ist es sicherlich dieses Mal.

Gestern, zur Feier meines 20. Geburtstages, wurden zwei Enten geschlachtet. Ein Geburtstag auf Thai-Style (wobei in Kok Payom Geburtstage eigentlich gar nicht gefeiert werden).

Lasst die Bilder einfach auf euch wirken. Ich fands einen tollen Geburtstag!

Mein Geburtstagsgeschenk

20 Jahre... und das Leben beginnt!


Stirbt langsam. Die muslimische Art zu schlachten.


Ich geniesse mein Geschenk...


Jetzt ohne Federn...

I'm lovin it.


Yummi... so sieht die Arbeit bei KFC hinter den Kulissen aus.


Lecker... und scharf...


Bon Appetite!










13. September 2010

Erste Nachricht...

Guten Tach!
Nun... eigentlich wollte ich nur sorgfaeltig ausformulierte Post verfassen. Am Besten noch mit dem Laptop meines Projektpartners, damit der Text Umlaute enthaelt. Aber daraus wurde nichts...

Man kommt nicht dazu. Ich uebernahm halt gleich den entpannten Lebensstil, der unter uns Freiwilligen auch als "Thai-Style" bekannt ist. Lieber tun, was man gerade fuehlt. Wenn man nun das Gefuehl hat, es ist an der Zeit ganz spontan vier Stunden zu reisen, um ein anderes Projekt meiner Organisation zu sehen, macht man sich eben auf den Weg. Wenn man dann auf dem Rueckweg, ein Tag spaeter feststellt, dass es langsam ein wenig spaet wird, macht man irgendwo fuer eine weitere Nacht einen Zwischenstop. Und wenn man zur Feier des Neujahres (Ramadan ist zu Ende) das Beduerfnis hat mit der Familie und Freunden die Nacht auf einer Insel zu verbringen, laedt man uns Freiwillige ein, mitzukommen. Man packt dann eben die Sachen fuer die naechste Nacht und landet dann, ohne Sonnenstich (was nach einer ein-stuendigen Bootsfahrt in der Mittagssonne unmoeglich erscheint) auf einer touristisch ausgerichteten Ferieninsel.

Oder anders gesagt: Sowas wie Routine gibt hier (noch) nicht!

Aber nun habe ich es jetzt ja doch hier ins Internet-Cafe geschafft. Und finde sogar die Muesse hier ein paar Zeilen zu veroeffentlichen.

Mir geht's super.

Erstends sind die Thais noch offener und freundlicher als die Amis. Zweitens finde die Thais uns Fallangs (Weisse) super cool. Und weils es unsere Spezies hier im Sueden so gut wie nie gibt (habe vielleicht vier Europaeer auf den Strassen gesehen), kommt es durchaus mal vor, auf der Strasse von wildfremden Leuten begruesst zu werden.

Groesste Herausforderung derzeit ist, dass man nicht verstanden wird, und vorallem nichts versteht. Denn in dem Dorf kann im Prinzip keiner Englisch. Aber alle bringen einem liebend gerne Thai bei. Zum Glueck leben wir eursopaeische Freiwillige (derzeit ich, ein anderer Deutscher, ein Schotte und naechste Woche noch zwei belgische Freiwillige) noch mit zwei Thai Freiwilligen zusammen, die auch Englich koennen. Dennoch habe ich schon mal ne Stunde mit Thais zusammen gesessen, wo man dann halt sehen musste, wie man sich verstaendigt. Da einem aber immer Essen angeboten wird, war eines der ersten Worte die ich lernte, neben "Danke" (khoob-khun-khrap) das Wort "lecker" (aroi).

Entsprechend kann man sich vielleicht vorstellen, dass es von aussen betrachtet sicherlich absolut lustig ist, wie wir versuchen, den kleinen Thai-Schulkindern Englisch beizubringen...

Und da nicht nur Google mein Dorf nicht kennt, sondern quasi das Dorf auch Google nicht kennt (es neben einer zu langsamen Internetverbindung in der Schule kein Internet gibt) besteht mir noch eine halbstuendige Fahrradtour vom Internetcafe nach Kok Payom in der groesstee Mittagshitze bevor...

Deshalb erstmal nur so viel. Fortsetzung folgt!

28. August 2010

Ich packe meinen Koffer

Im packte meinen Koffer mit...
8 Büchern
7 Unterhosen
6 Aufladegeräten
5 T-Shirts
4 Haribopackungen
3 Paar Socken
2 Kameras und ein Cam Corder
1 Kurze Hose
Und noch ein paar Kleinigkeiten…

23. August 2010

Unbekannte neue Heimat

In einer Woche mache ich mich auf nach Kok Payom, einem Ort der nicht auf der nicht gerade kleinen Karte von Google zu finden ist.

Wie man sich denken kann, gibt es dann auch keinen Eintrag bei Wikipedia. Auch findet die Datenbank von weather.com das Dorf nicht.

Einem Internet Native, wie ich es bin, macht diese Leere auf den Servern natürlich total nervös.

Denn ich kann nicht bei Wikipedia nachschlagen, wie der demographische Wandel des Dorfes die letzten Jahrzehnte verlief. Auch kann ich nicht nachlesen, wie wahrscheinlich es ist, dass es dort morgen regnen wird. Und vor allem kann ich nicht einmal die Dächer meiner zukünftigen Nachbarn mustern…

Aber zumindest findet GoogleWeb dann doch den einen oder anderen Link. So soll mein neues zu Hause angeblich an einem Fluss liegen, 10km vom Ozean und 7km von der Stadt La-ngu entfernt. Ich werde also die nächsten zwölf Monate in der Satun Provinz im Süden Thailands leben.

Am Sonntag geht es also los. Die ungefähre Richtung kenne ich ja…